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Judo in Vorarlberg
Vorgeschichte
Die Gründung des Vorarlberger Verbandes erfolgte im Jahre 1967, was aber nicht gleichbedeutend mit dem Beginn des Judosportes im Lande ist. Selbstverteidigungssportarten asiatischer Herkunft lassen sich bei uns bis Anfang der 50er Jahre zurückverfolgen, wobei diese aber nicht immer mit Judo bezeichnet wurden.
Es gibt einige Abhandlungen über die Vorarlberger Sportgeschichte. Besonders erwähnenswert ist die Bearbeitungen von Mag. Peter Laurin, der sich sehr detailliert mit dieser Materie befasst hat. So kann man mit Sicherheit annehmen, dass bis zum Ende des 2. Weltkrieges keine organisierte Vereinstätigkeit stattgefunden hat, jedoch bestimmt einzelne Personen mit diversen Verteidigungspraktiken konfrontiert wurden, die alle unter dem Sammelbegriff Jiu-Jitsu bekannt waren. So wird auch das von Jigaro Kano praktizierte System in älterer Literatur als das "Kano Jiu-Jitsu" beschrieben. Dies lässt sich dadurch begründen, dass die Verfechter des Kodokan-Judo gezwungen waren, sich durch Vergleichskämpfe gegen alle bekannten Kampfsysteme zu behaupten und die Überlegenheit ihres Systems zu beweisen. So enthielt das damalige Judo einige Techniken, die inzwischen längst gestrichen wurden. Dazu gehörten Schlagtechniken mit Händen und Füßen und auch Gelenkhebel, welche nicht nur am Ellbogen-Gelenk durchgeführt werden durften. So ist es nicht verwunderlich, dass noch in den Judo-Lehrbüchern um 1950 die Gruppe der "Ate-Waza", welche Schläge und Stöße umfasst, im Übungsstoff beinhaltet sind.
Allen Judokas ist der 1953 gegründete Verein Judoclub Kennelbach als erster Judoverein im Lande bekannt, doch die Gründerphase der Vereine ist doch komplexer als angenommen und wartet noch auf eine Aufarbeitung. Auch der mehrmals in den Vereinsnachrichten des Hohenemser Judo-Club erwähnte Verein, der Anfang 1950 im Gasthof "Ilge" trainiert hat, war ein behördlich gemeldeter Verein unter den Namen "Judo- und Jiu Jitsuclub Hohenems". Auch dass bei der ersten Landesmeisterschaft 1967 Starter des Judo-Club Egg an den Start gingen, dürfte vielen nicht bekannt sein. Eine Recherche über diese Vereine gestaltet sich deshalb so schwierig, weil im Landesarchiv nur Unterlagen über die Sportvereine bis 1938, wo sie dem Deutschen Bund für Leibesübungen zwangsweise angegliedert wurden, aufscheinen, während die Unterlagen über Neugründungen ab 1946 irgendwo in den Archiven einer Bezirkshauptmannschaft oder der Sicherheitsdirektion schlummern.
Auch die Geschichte des österreichischen Judo-Verbandes ist längst nicht so klar ist, wie sie in den Prüfungsunterlagen des ÖJV dargestellt wird. Wie auch die anderen europäischen Verbände waren die Österreicher auf Lernhilfe der Asiaten angewiesen, vor allem auf die Japaner, aber auch Koreaner setzten sich für die Verbreitung des Judosportes ein. Jedes Jahr trafen sich die sportbegeisterten Judoka Europas in Trainingslagern, wobei auch Obertraun in Salzburg zu den fixen Terminen zählte. Wer aber die Lernmethode der Asiaten zur damaligen Zeit erlebt hat, wo der Trainer mit einem Stock auf der Matte seine Schützlinge "ermunterte", die Techniken richtig zu erlernen, kann verstehen, dass für viele solche Trainings nicht das Maß aller Dinge waren. Weitere Punkte waren zudem die mangelnde Verständigung, da die Instruktoren meistens nur ein paar Brocken Englisch sprachen und die ganzheitliche Lernmethode eines Wurfes. Wollte ein Schüler wissen, wie ein solcher Wurf funktionierte, lag er nach dem Zugreifen bereits auf der Matte, ohne zu wissen, wie ihm geschah.
Das führte dazu, dass sich in Österreich viele Mitglieder und auch Vereine einem neuen System zuwandten, das sich Judo-Do nannte. Dieses System, von Professor Julius Fleck entwickelt, wurde von ihm als "Erweiteter Weg" oder als "Weg der Wege" bezeichnet.
Judo-Do baute auf dem traditionellen japanischen Judo auf, wurde jedoch um zahlreiche Techniken, die deutsche Namen erhielten, erweitert. Voraussetzung für den Judo-Do-Betreibenden war das Beherrschen der herkömmlichen Judotechniken. Wenn der österreichische Judoverband in seinen Unterlagen angibt, dass der Verband um 1950 ca. 500 Mitglieder umfasste, so kann man sich durchaus vorstellen, dass diese Abspaltung doch einige Substanz gekostet hat.
Nach einigen Jahren der Selbstständigkeit verschwand dieser Judo-Do-Verband mit Sitz in Salzburg wieder in der Versenkung, Einige Mitglieder wechselten zum Österreichischen-Judo-Verband zurück, andere schlossen sich dem Jiu-Jitsu an, andere Vereine wie auch der Hohenemser, löste sich auf. Noch in den Jahren 1973 und 1974 führte der ÖJV Verhandlungen mit Judo-Do-Vereinen wegen Rückführung in den Österreichischen-Judo-Verband.
Der Vorarlberger Judosport
Sicher ist, dass Hermann Gasser, der Judopionier aus Kennelbach, seine Techniken in Obertraun erlernt, perfektioniert und anschließend an seine Schüler weitergegeben hat.
Internationale Trainingslager sind ab dem Jahre 1951, dem Jahr der Gründung der I.J.F, der Internationalen Judo-Förderation in Obertraun belegbar. Hier trafen sich Judoka aus einigen europäischen Ländern, Kursleiter war 1951 der legendäre, in Frankreich lebende Japaner G. Koizumi, Träger des 7. Dans. Von Kennelbach aus, wurde diese Sportart nach Bregenz "transferiert", wo sich Dank größeren Zulaufes von Trainingswilligen ein leistungsstarker Verein entwickelte. Von dort aus kam es zur weiteren Vereinsentwicklung im Lande. Noch eines kommt klar zum Ausdruck, nämlich dass die Wegbereiter des heutigen Judosportes die Polizei- und Arbeitersportvereine waren und die anderen Dachverbände sich erst allmählich in dieser Sportart etablierten.
Bis zur Gründung des Vorarlberger Verbandes am 20. Juli 1967 war es jedem Mitglied in einem beim ÖJV gemeldeten Verein, der im Besitz des so genannten Kampfpasses mit gültiger Jahresmarke war, möglich, an Meisterschaften auf österreichische Ebene teilzunehmen. Der Vorteil in einem eigenen Landesverband bestand darin, dass dieser Verband selbstständig agieren konnte und auch eigene Meisterschaften auf Landesebene zur Austragung bringen konnte. Außerdem konnte die administrative Arbeit auf Landesebene erfolgen, welche bis dato von jedem Verein mit dem ÖJV selbst abgewickelt werden musste. Die Statuten des neu gegründeten Verbandes lehnten sich eng an die des ÖJV.
Als erster Präsident fungierte Hans Waibel, zum Vorsitzenden des technischen Ausschusses wurde Herbert Senn, Träger des 2. Dans, bestellt. Die ersten Meisterschaften in der allgemeinen Klasse wurden am 5. November 1967 in Dornbirn in der Hatler Turnhalle durchgeführt. Als Kampfrichter wurde der damalige Kampfrichterobmann des Österreichischen-Judo-Verbandes, Fritz Svihalek, eingeladen. 48 Starter aus sechs Vereinen stellten sich dieser Meisterschaft, wobei es in fünf Gewichtsklassen um Meisterehren ging.
Der Vorarlberger Judosport musste sich erstmals organisieren und formieren, vor allem die technische Ausbildung von Kampfrichtern und Dan-Trägern hatte Vorrang. Es wurde natürlich auch "auswärtige" Hilfe angenommen, so weilte der Münchner Gerd Egger mehrmals als Gasttrainer im Ländle, auch Mahito Ogho leitete in Bregenz einen Lehrgang. 1968 kam es zur ersten Danprüfung im Lande, als Prüfer fungierte Fritz Svihalek aus Wien, der für den Vorarlberger Judoverband in der Gründerzeit wertvolle Aufbauarbeit leistete. Sieben Anwärter legten die Prüfung zum 1. Dan ab, der Stand an Dan-Träger stieg auf insgesamt 11, wovon Herbert Senn und Albert Lecker mit dem 2. Dan als höchste Graduierte aufscheinen.
1968 kam es am 20. Oktober zur ersten Austragung einer Nachwuchsmeisterschaft, welche in Schruns, in der Turnhalle der Hauptschule abgehalten wurde. In acht Gewichtsklassen in der Schülerklasse und vier Gewichtsklassen in der Jugendklasse wurden die Titelkämpfe unter Beteiligung aus vier Vereinen ausgetragen. Am 22. Mai 1969 wurde der technische Ausschuss nach Vorbild des ÖJV in "Dan-Kollegium" umbenannt, am 27. Jänner 1970 erfolgte die Gründungsversammlung dieses Kollegiums.
Der nächste Schritt war 1971 die Durchführung von Mannschaftsmeisterschaften in der allgemeinen Klasse, welche als Rundenwettkämpfe abgehalten wurden. Der Bregenzer Judoclub sicherte sich den ersten Mannschaftstitel vor Dornbirn.
Eigene Juniorenmeisterschaften gelangten ab 1975 zur Austragung. Für Frauen wurde am 19. Oktober 1975 in Lustenau erstmals ein Sichtungsturnier veranstaltet, welches von 27 Teilnehmerinnen besucht wurde. Die erste Landesmeisterschaften Damen und weibliche Jugend wurde im April 1977 in Dornbirn in der Schule Edlach abgehalten.
1972 kam es zur zweiten Danprüfung im Lande und zwar in der neu erbauten Landessportschule in Dornbirn. Als Prüfer fungierte diesmal Walter Gasteiger aus Tirol, der auch im Rahmen eines Wochenendkurses die Vorbereitung leitete. Diesmal wurde erstmals nach der Judo-Methode von Prof. Anton Geesink geprüft, dessen Lehrmethode vom Österreichischen-Judo-Verband übernommen wurde. Walter Gasteiger war maßgeblich an der Verbreitung dieses Lehrsystems beteiligt, welches auch in der Sommerschule des ÖJV in Hintermoos über viele Jahre ein fixer Programmpunkt war.
Erstmals nach dieser Prüfung war eine größere Anzahl Danträger im Lande vorhanden, sodass nach Vorbild des ÖJV ein eigenes Dankollegium installiert werden konnte, welches für die technische Gestaltung des Judosportes zuständig war. Leider hatte es seit 1967 zwischen den Vereinen bzw. deren Funktionären starke Differenzen über die Führung des VJV gegeben, was sich auch bei den Wahlen am 25. März 1973 auswirkte. In einer Kampfabstimmung wurde Adalbert Kottas zum neuen Präsidenten des VJV gewählt, die Führung des Dan-Kollegiums übernahm Peter Tschernegg. Die unterlegene Gruppe zog sich aus allen innehabenden Funktionen zurück, was die weitere Verbandsarbeit noch viele Jahre sehr belastete. Erst eine neue Funktionärsgeneration konnte diesen Bruch kitten und eine kontinuierliche Verbandsarbeit bewerkstelligen.
Dank Installierung des Dan-Kollegiums konnte auch die Ausbildung von Kampfrichtern im eigenen Land erfolgen. Peter Fischlmayr hatte viele Jahre die Funktion des Kampfrichter- Obmannes über und konnte in dieser Eigenschaft wertvolle Aufbauarbeit leisten.
Einzig geprüfter Kampfrichter zu dieser Zeit war Herbert Senn, der 1970 die Prüfung zum Bundeskampfrichter ablegte. Die erste Kampfrichter Prüfung im Lande wurde am 8. April 1973 in Schruns abgehalten, als Prüfer fungierte Siegfried Spennlingwimmer, der sehr strenge Maßstäbe setzte. Von den angetretenen 15 Prüflingen wurden nur vier als Landeskampfrichter bestätigt, die restlichen Prüflinge als neuerliche Anwärter in zwei Bewertungsgruppen eingeteilt. Doch der Aufwärtstrend war spürbar, bereits zwei Jahre später konnte Kampfrichterreferent Fischlmayr auf vier Bundeskampfrichter und 22 aktive Landeskampfrichter zurückgreifen. Er legte auch als erster im Lande die Prüfung zum I.J.F. Kampfrichter mit B-Lizenz ab, abgelöst wurde er von Franz Mühlböck, der seitdem diese Funktion inne hat und ebenfalls die I.J.F. Kampfrichter-Lizenz B besitzt.
Auch die Ausbildung der Trainer, welche vom ÖJV immer mustergültig organisiert wurde, wurde von einigen Vorarlberger Judokas wahrgenommen. Der Bregenzer Horst Herzer war der erste diplomierte Trainer im Lande, es folgten noch im Laufe der Jahre Hermann Bechter, Peter Tschernegg, Günter Kofler und Emanuel Schinnerl.
Ebenfalls ein Ressort des Dankollegiums ist das Prüfungsreferat, welches für die Kyu-Prüfungen und Vorbereitungen zu den Dan-Prüfungen zuständig ist. So gelang über Jahre hinweg ein kontinuierlicher Aufbau von Meistergraden aller Stufen. Als Referenten fungierten in den diesen Jahren Helmut Schaper, Franz Mühlböck, Peter Tschernegg und Walter Marte. Den ersten 5. Dan durch Prüfung erreichte Peter Tschernegg im Jahre 1986, den gleichen Grad erreichten seine "Schüler" Walter Marte und Emanuel Schinnerl 1999, welche im Jahre 2005 den 6. Dan durch Prüfung ablegten. 2012 bestand Wolfgang Reis, ebenfalls ein Schüler von Tschernegg, die Prüfung zum 6. Dan. Der Vorarlberger Judoverband hat nun vier 6. Dan-Träger in seinen Reihen, einer davon wurden für besondere Leistungen im Judosport verliehen und drei wie erwähnt durch abgelegte Prüfungen. Am 26.10.2017 erhielt Franz Mühlböck für seine besonderen Leistungen für den ÖJV und den JVV als erstes Mitglied des Vorarlberger Judo-Verbandes den 7. Dan verliehen.
Petra Reis legte am 27.02.2010 die Prüfung zum 5. Dan erfolgreich ab. Am 14.01.2017 folgte ihr Sieglinde RÜDISSER, und bestand ebenfalls die Prüfung zum 5. Dan. Derzeit sind die beiden Hohenemserinnen die höchstgraduierten Dan-Trägerinnen des Judo-Verbandes-Vorarlberg. (Stand 2018)
Ein weiterer Höhepunkt in der Geschichte des JVV war die Installierung eines eigenen Leistungszentrums, dessen Initiator Emanuel Schinnerl war. Gegründet im Jahr 2000 und nach einem Jahr Aufbauarbeit wurde 2002 die Mannschaft des LZ Vorarlberg Meister in der Nationalliga und konnte sich im Relegationskampf für die Teilnahme in der Bundesliga klar durchsetzen.
Der dritte Platz in der Bundesliga im Jahre 2004 war der größte Erfolg der Vorarlberger Leistungsträger. 2007 freiwillig in die Nationalliga zurückgekehrt, hat der leistungsgemäße Aufbau der eigenen Kämpfer Vorrang. Das eigene Dojo in der Herrenried-Sporthalle in Hohenems war ab 2008 das Domizil des Leistungszentrums Vorarlberg, bis dieses im Jahr 2018 ins Olympiazentrum nach Dornbirn umzog.
Quellenverzeichnis
Literatur:
- Das japanische Jiu-Jitsu in deutscher Übung von Hans Knorn,
- Judo und Judo-Do von H. Klinger-Klingsdorf
- Judo, Bodentechnik von "Opa" Schutte von Antoon Geels
- Vorarlberger Sportgeschichte bis 1945 von Laurin Peter
Manuskripte und ungedruckte Quellen
- ÖJV Prüfungsbestimmungen für den 1.-6. Dangrad von Erwin Schön
- Protokolle des VJV ab 1967
- Wettkampflisten des VJV ab 1967
Erstellt von Peter Tschernegg, 6. Dan (22. August 2008)
Aktualisiert von Wolfgang Reis, 6. Dan (06.02.2018)